Astronomie der Maya (Fortsetzung)

Abb. 1: Ballspielplatz in Copan

„Die Ägypter Mittelamerikas" oder „Die Griechen der neuen Welt". Schon in der letzten Ausgabe berichtete ich Ihnen von dieser beeindruckenden Kultur. Heute befasse ich mich vor allem mit der Beobachtung der Gestirne und der Vorstellung, welche die Maya beim Anblick des Himmels hatten.

Erfassung des Raumes

Grundlegend ist die Einteilung der Ebene in die 5 Richtungen Nord, Ost, Süd, West und Mitte. Diese Himmelsrichtungen wurden mit den Farben, Weltaltern (die unseren Elementen entsprechen), den Namen und der Art der Jahre in folgende Beziehung gesetzt:

Richtung

Farbe

Weltalter

Name und Art des Jahres

Nord

weiß

Jaguarsonne (=Erde)

Tecpatl

dürr

Ost

rot

Windsonne (=Luft)

Acatl

fruchtbar

Süd

gelb

Feuersonne (=Feuer)

Tochtli

unglücklich

West

schwarz

Wassersonne (=Wasser)

Calli

naß

Mitte

---

Erdbebensonne

---

---

Der Himmel wurde von vier Himmelsträgern gehalten, die wahrscheinlich in den 4 Himmelsrichtungen stehend gedacht waren.

Zu erwähnen sind die neben den Tempeln gelegenen Ballspielplätze, deren Seiten genau den Himmelsrichtungen entsprechen. Das in Mittelamerika weit verbreitete Ballspiel mit einem schweren Vollgummiball, der mit der Hüfte oder Schulter an die Mitspieler weitergegeben wird, birgt symbolische Züge des Kampfes der Gestirne in sich. Der Ball steht in diesem Zusammenhang für das Abbild der Gestirne, und das Spiel ist weniger als Sport, sondern vielmehr als kosmologisches Welttheater im kleinen Raum aufzufassen, das mit menschlichen Spielern gespielt wird.

Neben den Himmelsrichtungen waren auch die Richtungen der Sonnwenden (im Winter und Sommer) bekannt. Am Himmel unterschied man 13 übereinanderliegende Schichten, desgleichen neun verschiedene Unterwelten, wobei jede dieser einzelnen Schichten einem Gott unterstellt war. Zischen diesen 13 + 9 Schichten und den 13 + 9 Stunden des Volltages bestanden enge Beziehungen: jede Stunde hatten den entsprechenden Gott zum Herrn.

Es ist nicht bekannt, ob die Planeten und die Sterne auf die verschiedenen Himmel verteilt wurden. Besonders verehrt und beachtet wurden aber die Sonne und die Venus. Die Dresdner Handschrift (siehe vorigen Teil) enthält Berechnungen über den Lauf der Venus. Die Maya beobachteten die Aufgänge des Planeten über viele Jahre hindurch und lösten mit Hilfe eines Systems von Multiplikationstafeln die Korrekturprobleme in Abstimmung auf ihre bestehenden Kalender. Eine Abweichung von 0.08 Tagen im Verlauf von 481 Jahren ist wirklich eine großartige Leistung.

Eines der wichtigsten astronomischen Ereignisse, ein Venusdurchgang, wurde im Dezember des Jahres 416 n. Chr. beobachtet. Der Venusdurchgang fand an der Küste Guatemalas gegen Sonnenaufgang statt, so daß es möglich ist, daß die Astronomen die Bewegung des schwarzen Flecks über die Sonnenscheibe durch den Morgennebel über den Bergen beobachten konnten. Ob Mars, Jupiter, Saturn und Merkur von den Priestern der Maya beobachtet worden sind, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurden sie nicht als Götter angesehen oder verehrt. Daher gab es auch keinen Grund für die Priester, ihr Erscheinen voraus zuberechnen und vorherzusagen. Ebenso wissen wir nicht, ob die Maya die tägliche und jährliche Bewegung der Sterne darzustellen versuchten. In den Handschriften jedenfalls werden als „Wanderer am Himmel" genannt: Sonne, Mond, der Morgen- und Abendstern, die Sterne des Nordens, die Sterne des Südens und die Milchstraße. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einige auffällige Sternkonstellationen wie die Plejaden und der Skorpion bekannt waren, obwohl sich kein eindeutiger Beweis dafür erbringen läßt.

Sternglaube und Sterndeutung

Die Astrologie und die Astronomie waren zur damaligen Zeit sehr eng miteinander verknüpft. So waren die Tage selbst göttlich. Das Agieren der Götter schafft die Zeit, und die Menschen haben die Aufgabe, dem Tun der Gottheiten auf die Spur zu kommen. Jeder Tag stand unter dem Schutz zweier Götter, deren Herrschaftszeit von Sonnenauf- und -untergang bestimmt wurde. Durch die Analyse der Stellung dieser beiden Götter zueinander konnten die Priester Voraussagen über den nachfolgenden Tag treffen. Zusätzlich wurden die Stellungen von Mond und Venus berücksichtigt. Die Maya glaubten weiterhin, daß der Morgenstern im Augenblick seines Aufgangs sehr gefährlich sein könne, und wollten daher das genaue Datum im Voraus wissen, damit die Priesterschaft wirksame Maßnahmen treffen konnte. Die Venus wurden jeden Tag bei Ihrem Aufgang von den Priestern mit Räucherungen und Blutabzapfungen begrüßt.; bei ihrem Frühaufgang wurde ein Mensch geopfert. Der Mond, meistens mit dem Kaninchen im Mond dargestellt, wurde ursprünglich auch als Gott verehrt, verlor aber allmählich seine Bedeutung gegenüber der Venus.

Die Maya wußten sicherlich nicht, daß eine Sonnenfinsternis nur dann eintreten kann, wenn Neumond mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, an dem die Sonne die Bahn des Mondes kreuzt. Sie können dies nicht gewußt haben, denn sie erkannten nie, daß sich die Erde um die Sonne dreht. Trotzdem befindet sich im Dresdner Kodex eine Tafel mit 68 Daten, an denen Sonnenfinsternisse über eine Zeitspanne von fast 33 Jahren stattfinden würden. Während der Sonnenfinsternis stiegen fürchterliche Wesen auf die Erde herab und bedrohten die Menschheit, so glaubten die Maya. Sie glaubten, sich selbst im Zentrum der Welt zu befinden und von einem Binnenmeer umgeben zu sein. Die Sonne war für diese Menschen das mächtigste und bestimmendste Gestirn. Die Maya glaubten, daß die Sonne nachts in der Gestalt des Jaguars durch die Unterwelt wandere, um zu Tagesbeginn im Osten wieder zu erscheinen. Die meisten Opfer wurden auf den großen Zeremonialplätzen der Sonne dargebracht, um sie dazu zu bewegen, die Zeit beständig fortschreiten zu lassen. Ein Stillstand der Gestirne hätte das Zeitenende zur Folge gehabt.

Sternkundige und Unterricht

Die Sternkunde lag in der Hand der Priester. Sie besorgten die Auslegung des Kalenders und die Beobachtung der Himmelserscheinungen. Aus dem Reigen der Götter, und aus den Schauspielen, die ihre Herren im Himmel darboten, erschlossen sie die Art und Weise, wie die Menschen auf der Erde zu führen sind. Somit waren die Priesterastronomen besondere Vermittler zwischen den Göttern und dem Volk. Bei Copan im heutigen Honduras, der südlichsten Stadt im klassischen Mayagebiet, ehrt eine drei Meter hohe Stele einen Priesterastronomen (siehe Abb. 2). Sie stammt aus dem Jahr 782n. Chr., und Hieroglyphen verzeichnen das Datum, die Mondphase und den Namen des Gottes, der damals herrschte.

Geräte und Sternwarten

Es ist nicht auszuschließen, daß die Priesterastronomen zur Beobachtung auch Hilfsmittel einsetzten, so z.B. einen polierten Obsidianspiegel. Diese Technik brauchten sie nicht neu zu erfinden, denn seit olmekischen Zeiten (900 - 400 v. Chr.) waren konkave Vergrößerungsspiegel, mit denen man erfolgreich arbeiten konnte, bekannt. Wahrscheinlich benutzten die Priesterastronomen auch x-förmige Kreuzstäbe für ihre Beobachtungen, die auf mancher Stele zu erkennen sind. Verschiedene Kultanlagen sind als Observatorien bekannt. Zum Beispiel Teotihuacan. Der gewaltige Sonnentempel, ein 63 Meter hohes Bauwerk, wurde nach astronomischen Gesichtspunkten konstruiert. Die Observatorien bestanden im wesentlichen aus Sichtlinien. In einigen Fällen wurden solche Linien durch Steinsäulen über beträchtliche Entfernungen markiert, im allgemeinen aber zeigten derartige Beobachtungspunkte die Sonnenaufgangs- und -untergangstelle an. Falls ein Planet oder Sternbild über einem solchen Punkt erschien, konnte dieses Ereignis auf der Stele vermerkt werden.

Zu den archäologischen Schätzen von Chichen Itza gehört die Pyramide des Kukulacan (siehe Abb. 3). Die insgesamt 365 Stufen der 30 Meter hohen Pyramide mit neun Terrassen beziehen sich auf die Anzahl der Tage eines Jahres. Zweimal im Jahr (am 21. März und 23. September), also am Tag der Sonnenwende, offenbart sich ein ungewöhnliches Schauspiel, das jedesmal Tausende von Menschen anzieht. Durch den Schattenwurf der Sonne entsteht der Eindruck einer sich langsam die Pyramide herabwindenden Schlange. Kukulcan bedeutet in der Mayasprache „gefiederte Schlange", und diese Bezeichnung trug der toltekische Herrscher Quetzalcoatl, der auch in Chichen Itza regierte. Wie in Palenque befindet sich auch in diesem Kultzentrum eine Sternwarte, ein als „Schneckenhaus" bekanntes Bauwerk. Das Observatorium wurde vermutlich als astronomisches Meßgebäude benutzt, um aus der Einstrahlung des Sonnenlichts Regelmäßigkeiten des Jahresablaufs entnehmen zu können.

Etwa 10 Jahrhunderte lang entwickelte sich die Hochkultur der Maya voran. Der Zusammenbruch dieser Zivilisation erfolgte nicht plötzlich. Es dürfte eine Stadt nach der anderen verlassen und später von Urwald überwuchert worden sein. Besonders in Nordamerika und weltweit besteht ein starken Engagement für die Erforschung und Konservierung der Mayabauten und Kunstwerke. Sie wurden bald als die Kulturdenkmäler des Doppelkontinents erkannt und sind noch immer von vielen Rätseln umgeben. Inzwischen gab es sogar schon Weltraummissionen, um mit Spezialkameras den fast undurchdringlichen Dschungel zu durchleuchten und neue Erkenntnisse über diese so bedeutende Kultur zu gewinnen.

Damit möchte ich meine Betrachtung über die Sternkunde der Maya beenden.

Autor: Dieter Meyer

 

Literaturhinweise

E. Eggebrecht: Die Welt der Maya
C. Rätsch: Chactun - Die Götter der Maya
C. Baudez: Versunkene Städt der Maya

Bildnachweise

sämtliche Abbildungen aus E. Eggebrecht: Die Welt der Maya

Letzte Änderung am: Mon Jan 23 10:27:30 2006 - geändert durch: Not Availiable

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