Okulare

Jeder, der schon einmal an einem Fernrohr beobachtet hat, hat auch schon durch ein Okular geblickt. Dem Laien wird das Okular auch gar nicht als eigenes unabhängiges optisches System auffallen. Vielmehr wird er glauben, daß das Okular Teil des Fernrohrs ist - sofern er sich überhaupt der Existenz eines solchen Teiles bewußt ist. Daß dem Okular aber ein viel höherer Stellenwert gebührt, zeigt schon die Tatsache, daß man mit einem Fernrohr ohne Okular nichts sieht.

So kommen wir zur Frage, wozu man so ein Ding überhaupt braucht. Das ist eigentlich ganz einfach: Das Objektiv oder der Spiegel des verwendeten Teleskops produziert in der Brennebene ein Abbild des im Fernrohr eingestellten Objektes. Dieses Bild enthält alle Informationen, die das Gerät zu zeigen imstande ist. Die Bildgröße ist abhängig von der Brennweite des Objektives (Es wird im nachfolgenden Text ab jetzt nur noch von Objektiven gesprochen, auch wenn das bilderzeugende Element ein Spiegel sein sollte). Die Flächenhelligkeit des Bildes ist abhängig vom Öffnungsverhältnis (Durchmesser zu Brennweite) des Objektives. Die Feinheit des Bildes ist abhängig von dem Durchmesser des Objektives.

Zu dieser "Feinheit" muß man noch sagen, daß man sich ein Fernrohrbild etwa wie ein gerastertes Zeitungsbild oder Fernsehbild vorstellen muß. Von diesem "Raster" ist nämlich das Auflösungsvermögen abhängig. Es kann aus einem solchen Bild nur das herausgeholt werden, was auch als Bildinformation enthalten ist. Beispiel: Auf einem Zeitungsbild ist ein Mann abgebildet, der eine Armbanduhr trägt. Das ist deutlich zu sehen. Nun wollen Sie aber sehen, wie spät es auf dieser Uhr ist, sehen es aber nicht. Sie vergrößern das Bild mit einer starken Lupe und sehen die einzelnen Punkte, aus denen das Bild zusammengesetzt ist. Aber es wird Ihnen auch mit einer noch so starken Vergrößerung nicht gelingen, die Zeit auf dieser Uhr abzulesen. Im Gegenteil, irgendwann werden Sie nicht einmal mehr den Mann sehen, der die Uhr trägt. Das einzige, was Sie dann noch sehen, ist daß man auch zu viel vergrößern kann - übrigens eine wichtige Erkenntnis! Sie müssen also, wenn Sie die Uhrzeit wissen wollen, nicht an der Vergrößerung arbeiten, die das Bildraster übersteigt, sondern am Bildraster selbst.

Nun zurück zum Okular. Das Okular ist nichts anderes als eine Lupe, mit der man das Brennpunktbild betrachtet. Verschiedene Vergrößerungen werden durch verschiedene Okularbrennweiten erzielt. Vergrößerung ist Objektivbrennweite geteilt durch Okularbrennweite. Je kürzer also die Brennweite des Okulars ist, desto höher die Vergrößerung. Daß man die Vergrößerung nicht sinnlos in die Höhe treiben kann, haben wir gerade gesehen. Eine alte Faustregel besagt, daß die höchste sinnvolle Vergrößerung gleich des Durchmessers des Objektives in Millimetern ist. Übrigens entspricht die Okularbrennweite des dafür benötigten Okulars genau dem Öffnungsverhältnis des Objektives (z.B.: f/6 = 6mm). Bei dieser Vergrößerung sieht man fast alle Details, die im Brennpunktbild enthalten sind. Man kann die Vergrößerung für Spezialanwendungen auf ungefähr das doppelte dieses Wertes steigern.

Kenngrößen von Okularen

Jetzt zur ersten und auch wichtigsten Kenngröße eines Okulars: der Brennweite. Sie bestimmt die Vergrößerung. Weitere Merkmale eines Okulars sind Typ, Eigengesichtsfeld und Steckhülsendurchmesser. Je mehr Linsen ein Okular hat, desto besser ist im allgemeinen das Einblickverhalten. Auch Randunschärfen werden mit zunehmender Linsenzahl normalerweise geringer. Aber der wesentlichste Unterschied der Viellinser zu den Weniglinsern ist ihr weitaus größeres Eigengesichtsfeld. Und hier sind wir bereits beim nächsten Merkmal.

Das Eigengesichtsfeld ist der Winkel, in dem dem Beobachter die Gesichtsfeldbegrenzung im Okular erscheint. Im Gegensatz dazu ist das wahre Gesichtsfeld der Ausschnitt, den das Teleskop am Himmel zeigt. Je kleiner die Vergrößerung ist, die man verwendet, desto größer ist das wahre Gesichtsfeld. Die Vergrößerung ist jedoch nur ein Faktor zur Bestimmung des wahren Gesichtsfeldes. Der andere Faktor ist das Eigengesichtsfeld. Die Berechnungsformel des wahren Gesichtsfeldes lautet: Wahres Gesichtsfeld ist Eigengesichtsfeld des Okulars geteilt durch Vergrößerung. Oft möchte man trotz hoher Vergrößerung nicht auf ein großes Gesichtsfeld verzichten. Aus diesem Dilemma helfen uns moderne Okularkonstruktionen. Ein Beispiel soll das verdeutlichen: Beobachten wir meinem einfachen Huygens-Okular mit ca. 35 Grad Eigengesichtsfeld, kann man höchstens ca. 70fach vergrößern, um den Mond noch ganz zu sehen (Der Mond hat übrigens einen Winkel von ca. einem halben Grad am Himmel). Würden wir mit diesem Okular stärker vergrößern (also bei einem langbrennweitigeren Fernrohr), würden wir nur noch einen Ausschnitt des Mondes sehen. Verwendet man aber anstatt des Huygens- ein UWA- oder Nagler-Okular, das ein Eigengesichtsfeld von über 80 Grad hat, kann man bis zu etwa 170fach vergrößern! Es können kleine Einzelheiten auf der Mondoberfläche beobachtet werden und er Mond ist trotzdem noch ganz zu sehen. Der Anblick ähnelt eher dem Blick  durch das Fenster einer Raumkapsel, als dem durch ein Fernrohr. Man hat nicht das Gefühl, irgendwo hindurchzuschauen, man hat vielmehr den Eindruck, daß man vor dem Objekt im Weltall schwebt. Manche Leute bezeichnen solche Okulare als "Beamgeräte". Erst durch solch extrem hochwertigen Okulare, die übrigens am Bildfeldrand noch genauso scharf abbilden wie in der Bildmitte, hat die Amateurastronomie ganz neue Wege beschritten. Es gibt Objekte am Himmel, die erst mit solchen Okularen optimal beobachtet werden können, z.B. Galaxien, die relativ groß sind, bei denen man aber trotzdem hoch vergrößern muß, um auch noch Einzelheiten zu erkennen. Der Gesamteindruck der Galaxie bleibt aber dennoch erhalten.

Auch die althergebrachte Staffelung des Okularsatzes verliert mit solchen Okularen ihren Sinn. Man kommt mit gutem Material meist mit weniger als der Hälfte der normalen Okularanzahl aus. Lieber ein paar gute Okulare kaufen, als einen fein abgestuften Haufen Schrott. Meines Erachtens sollten die Okulare nicht der Qualität des übrigen Teleskops nachstehen. Das Okular liefert einen sehr bedeutenden Teil zur Bildwidergabe. Ein schlechtes Okular macht die vielleicht sehr gute Qualität des Objektives zunichte.

Wenn man vom Eigengesichtsfeld spricht, darf man nicht vergessen, den Steckhülsendurchmesser des Okulars zu erwähnen. Es ist darauf zu achten, daß das Gesichtsfeld des Okulars auch in den Okularauszug paßt. Es gibt drei Standarddurchmesser für Okulare: 24,5 mm 1¼", und 2" (Das Zeichen " steht für amerikanische Zoll bzw. Inches). Es kann kein 40mm-Okular mit 67 Grad Eigengesichtsfeld in einen 1¼"-Okularauszug gesteckt werden. Warum? Weil die interne Gesichtsfeldblende in diesem Fall 45 mm im Durchmesser mißt. Da 1¼" etwa 31,7 mm entsprechen, würde das Okular nicht seine volle Leistung entwickeln können. Ganz abgesehen davon, daß es dieses Okular nur mit 2"-Hülse gibt. Also hätte eine mechanische Adaption keinen Sinn. Da die Hersteller ihre Okulare kennen und das Okular mit der jeweils kleinsten sinnvollen Hülse liefern, kann man sagen, daß eine mechanische Erweiterung des Okularauszuges prinzipiell keinen Sinn ergibt. Ausnahmen bilden kurzbrennweitige 1¼"-Okulare, die oft auch in wesentlich kleineren Hülsen Platz finden würden. Da man aber kaum noch Okulare mit einer Steckhülse baut, die kleiner ist als eben diese 1¼", habe auch diese Okulare 1¼".

Die Wahl des persönlichen Okularsets

Bei der Wahl des persönlichen Okularsets spielen folgende Kriterien eine Rolle: Verwendetes Teleskop (Typ und Öffnungsverhältnis), persönliche Neigung und Beobachtungsgebiete und nicht zuletzt der Geldbeutel. Hat der Beobachter ein sehr schnelles Gerät (gemeint ist hier ein lichtstarkes Gerät mit kleiner Öffnungszahl), sollte auf gute Randkorrektur und Farbkorrektur geachtet werden. Speziell bei schnellen Newton ist auf ausreichende Randschärfe  zu achten. Auch wird man bei einem schnellen Fernrohr eher kurze Okularbrennweiten benötigen, wenn nicht ausgeprägtes Widefield-Interesse besteht. Hierbei ist eventuell zu erwägen, ob nicht die Anschaffung einer guten Barlowlinse sinnvoll ist. Diese verdoppelt im allgemeinen die Brennweite des Objektives; die mit einem bestimmten Okular erzielbare Vergrößerung verdoppelt sich also. Man kann mit einem Okular zwei Vergrößerungen erzielen und vermeidet das unbequeme Einblickverhalten extrem kurzbrennweitiger Okulare.

Das beste optische Element ist das, das nicht vorhanden ist. Nach diesem Grundsatz ist klar, daß Okulare, die aus sehr vielen Linsen aufgebaut sind auch ihre Nachteile haben. Jedes einzelne Element bringt seinen Fehler mit in das Gesamtsystem ein. Wenn also nur Interesse an Planeten (bei der Beobachtung von Planeten ist ein großes Gesichtsfeld nicht wichtig), an langbrennweitigen Geräten besteht, sind einfachere Konstruktionen wie das Orthoskopische Okular oder das Plössl durchaus hochentwickelten Viellinsern an Kontrast und Lichttransmission überlegen. Im allgemeinen stellen langsame Teleskopsysteme ab etwa f/10 deutlich weniger Anspruch an die Okularqualität als schnelle.

Die Austrittspupille

Für das Zusammenstellen der eigenen Okularserie sollte man als wichtigstes Kriterium die Austrittspupille berücksichtigen. Die Austrittspupille ist die kleine, bei Tageslicht helle Scheibe im Okular, in der sich das Objektiv als verkleinertes Abbild zeigt. Bei einem Spiegelteleskop ist die Austrittspupille also in der Form eine Ringes sichtbar. Diese Austrittspupille stellt das Lichtbündel dar, das das Teleskop verläßt. Der Durchmesser errechnet sich aus Objektivdurchmesser geteilt durch Vergrößerung. Je höher also die Vergrößerung, desto kleiner die Austrittspupille, und umgekehrt. Das Auge verändert den Lichtdurchlaß durch Öffnen bzw. Zusammenziehen der Iris. Der Durchmesser der freien Öffnung des Auges liegt ca. zwischen 3 und 7 mm. Logischerweise sollte die Austrittspupille des Fernrohrs nicht größer sein als die Eintrittsöffnung des Auges. Das an sich wäre nicht schlimm, aber das am Rand überschüssige Licht ist für das Auge verloren. Das ist, als ob man mit einem Gerät kleinerer Öffnung beobachten würde.
Wichtige Eckdaten der Austrittspupille sind folgende:

  • 8-6 mm: Minimalvergrößerung, maximales Gesichtsfeld
  • 4-2 mm: Normalvergrößerung, am meisten gebrauchte Okulare, alle Objektive
  • 1 mm: Optimalvergrößerung, das Auge nimmt ca. 95% des Machbaren war
  • 0,8 mm: bringt maximale Wahrnehmung bei Detailbeobachtung
  • 0,5 mm: Maximalvergrößerung, zum Trennen von Doppelsternen optimal

Nach diesen Werten sollte man sich richten, wenn man sich seine Okulare zusammenstellen will. Spezielle persönliche Neigungen und Interessenlagen sollten darüber hinaus Berücksichtigung finden.
Nun wünsche ich allen noch viele klare Nächte und viel Spaß beim Beobachten.

 

Autor: Rochus Geißlinger

Letzte Änderung am: Mon Aug 13 14:32:22 2007 - geändert durch: Not Availiable

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