Herstellung eines Teleskopspiegels

Einige Amateurastronomen sind der Meinung, dass sich das Schleifen eines Teleskopspiegels aus finanzieller Sicht nicht lohnt, da bereits größere Spiegeloptiken für relativ wenig Geld zu haben sind. Bei näherer Betrachtung erkennt man aber, dass viele Billigoptiken doch arge Mängel aufweisen. Neben falschen Angaben zur Glassorte wird mit Lambdawerten geworben, die - wenn überhaupt - nur für einen kleinen Teil der Spiegel zutrifft. Es ist also Glücksache, welche Qualität der gekaufte Spiegel aufweist. Wenn man einen erstklassigen Spiegel mit höchster Präzision kaufen möchte, so hat dieser auch seinen Preis. "You get what you pay for" heißt die Devise. Beim Selbstschliff eines Spiegels ist dies anders. Man hat die Qualität seines Spiegels vom ersten Moment an selbst in den Händen und erfährt darüber hinaus etwas über den Entstehungsprozess und die Meßverfahren der Spiegelherstellung. Außerdem lernt man gute von schlechten Spiegeln zu unterscheiden.

Die Idee, aus einer runden Glasplatte einen Teleskopspiegel zu schleifen, ist nicht neu. Bereits Herschel benutzte zur Entdeckung seiner NGC-Objekte Teleskope mit selbst gefertigten Spiegeln. Obwohl damals genaue Prüfverfahren für Spiegeloptiken noch nicht erfunden waren, gelangen ihm mit seinen Instrumenten außergewöhnliche Entdeckungen. Um bei der Herstellung von Teleskopspiegeln die geeignete Bildqualität zu erreichen, mußten die Spiegel anhand ihrer Beugungsbilder, die sie an Sternen lieferten, in deren Form korrigiert werden. Dieses Verfahren war natürlich sehr aufwändig, da der Spiegel immer wieder ein- und ausgebaut, sowie justiert werden mußte.

Schattenprobe nach Foucault

Erst im Jahre 1859 stieß der französische Physiker Léon Foucault auf die Lösung, in dem er eine Methode fand, mit der Teleskopspiegel genau geprüft werden konnten. Die nach ihm benannte Erfindung ist ebenso einfach wie genial. Er postierte eine punktförmige Lichtquelle genau im Krümmungsmittelpunkt des Spiegels und betrachtete das ebenfalls im Krümmungsmittelpunkt reflektierte Bild an einer Messerschneide. Immer dann, wenn die Messerschneide das Strahlenbündel genau im Brennpunkt schnitt, wurden alle Fehler in Form von Bergen oder Tälern sichtbar. Ein Spiegel, der exakt eine sphärische Form besaß, zeigte in seiner Messung eine absolut gleichförmige Oberfläche.

Vor einigen Jahren wurde im Nachlaß der Familie Herschel eine mit Bleilot verschlossene Dose entdeckt, in der man Spiegel fand, die von Herschel selbst geschliffen wurden. Eine Überprüfung dieser Spiegel ergab eine nur durchschnittliche Qualität. Hätte Herschel zur damaligen Zeit die Messmöglichkeit der Foucaultschen Probe zur Verfügung gehabt, wären seine Entdeckungen vielleicht noch spektakulärer ausgefallen. Foucaults Messmethode stellt die Grundlage dar, mit der heutige Amateurastronomen in der Lage sind, sehr gute Teleskopiegel herzustellen.

Wozu das Ganze?

Das Herstellen eines Teleskopspiegels erscheint im ersten Moment ein unmögliches Unterfangen, so sollte die Genauigkeit der Spiegeloberfläche ¼ λ (¼ von 560 nm) nicht unterschreiten. Außerdem muß bei Spiegeln mit kleineren Öffnungsverhältnissen als 1:8 (Öffnung:Brennweite) auch noch eine Parabolisierung durchgeführt werden.

Wer trotzdem die Mühe nicht scheut, sich dieser höchst interessanten Aufgabe zu stellen, wird womöglich mit einem Spiegel belohnt, der mindestens so gute Bilder liefert, wie ein hochwertiger, gekaufter Spiegel.

So schwierig sich das Ganze darstellt, ist es nicht. Mit etwas Geduld und Fingerspitzengefühl ist es sogar relativ einfach einen guten Teleskopspiegel herzustellen. Ein Grund mehr noch für das Selberschleifen ist die Möglichkeit, Spiegel mit Brennweiten zu fertigen, die nicht im Handel erhältlich sind, z.B. Spiegel für Teleskope mit sehr langen oder sehr kurzen Brennweiten.

Was wird benötigt?

In erster Linie benötigt man einen Glasrohling mit einem möglichst geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten. Hier kommen vor allem Borsilikatgläser wie Duran, Pyrex oder Boroflex zum Einsatz. Eine günstige Quelle hierfür stellt die VDS Materialzentrale oder der Spiegelschleifkurs der Münchener Sternfreunde dar. Für einen 200 mm-Spiegel mit Schleif- und Poliermaterial werden ca. 80 € verlangt.

Zum Schleifen benötigen wir zwei Glasrohlinge gleicher Größe und Dicke, wobei das Schleifwerkzeug kein hochwertiges Glas sein muß. Bei größeren Spiegeln über 200 mm ist es besser Schleifschalen aus zwei Feinsteinzeugfliesen herzustellen. Beide werden mit Fliesenkleber aufeinander geklebt, sodass eine ca. 3 cm dicke Schleifschale entsteht. Dies ist eine preisgünstige Alternative zum Glasrohling als Schleifschale.

Zum Schliff benötigt man außerdem Schleifmaterial mit unterschiedlichen Körnungen. So ein Satz Schleifpulver besteht aus den Körnungen Siliziumkarbid K80, K180, K320 sowie aus den Feinschleifpulvern Aluminiumoxyd 15 µm und 9 µm. Zum anschließenden Polieren verwendet man ein spezielles Polierpulver (Ceroxyd Ceri 3000). Außerdem benötigt man für die Politur ein optisches Pech, dessen Härte auf der Zeiss-Skala bei 28° liegen sollte. All diese Materialien sind im angebotenen Schleifset bereits enthalten. Bevor man mit der Herstellung beginnt, sollte man sich im Klaren sein, welche Dimensionen der zukünftige Spiegel haben soll. Hierbei ist zu beachten, daß sich der Schwierigkeitsgrad mit dem Durchmesser des Spiegels und durch die Kürze der Blendenzahl erhöht. Deshalb ist es ratsam, sich für den Anfang eine Spiegelgröße von 15-20 cm und ein Öffnungsverhältnis größer 1:6 vorzunehmen.

Zur genauen Messung der Spiegeloberfläche wird ein Foucault-Tester eingesetzt, der aus Holz und Schubladenauszügen sowie einer hellen Lichtquelle (superhelle LED) und einer Rasierklinge zusammengebaut werden sollte. Hierbei ist wichtig, daß die Messerschneide in den Strahlengang des reflektierten Lichtstrahls hinein und hinaus bewegt werden kann. Eine Messeinrichtung zur genauen Bestimmung der Schnittweitendifferenzen muß ebenfalls vorhanden sein. Dazu später Näheres. Ein Beispiel für einen funktionierenden Foucault-Tester zeigt das Bild. Bauanleitungen findet man im Internet.

Der Grobschliff

Wenn mit den Schleifarbeiten begonnen wird, sollte man sich einen geeigneten Arbeitsplatz suchen, an dem ungestört und bei gleichbleibender Temperatur geschliffen werden kann. Außerdem benötigt man eine ebene Unterlage, auf der die Schleifschale mit Hilfe von drei Holzklötzchen sicher fixiert wird. Als vorteilhaft hat sich eine bewegliche Unterlage bewährt, mit der man beim Schliff eine kontinuierliche Drehbewegung der Schleifschale ausführen kann.

Bevor man mit dem Grobschliff beginnt, sollte man berechnen wie tief der Spiegel für die gewünschte Brennweite ausgehöhlt werden muss. Die sogenannte Pfeiltiefe ergibt sich aus folgender Formel:

mit:

p = Pfeiltiefe
r = Radius des Spiegels
f = Brennweite des Spiegels

Für einen Spiegel mit z.B. 1200 mm Brennweite und 200 mm Öffnung ergibt sich eine Pfeiltiefe von 2,1 mm. Die Mitte muss also um 2,1 mm tiefer abgetragen werden als der Rand. Der Spiegel wird auf die mit Karbo 80 und mit etwas Wasser besprühten Schleifschale aufgesetzt. Das vorherige Anphasen der Spiegelkante mit einem Karbo Schleifstein ist wichtig, da sonst Muschelbrüche entstehen können. Mit Druck und langen seitlichen Strichen beginnt nun der Grobschliff. Die scharfen Körner greifen hauptsächlich die Spiegelmitte an, wobei der Rand des Spiegels annähernd unbearbeitet bleibt. Bei der Schleifschale verhält es sich genau umgekehrt.

Bild 1: KS80 unter dem Mikroskop.
Bild 2: Spiegeloberfläche nach dem Grobschliff

Bei allen Schleifvorgängen wird die Schleifschale nach ca. 10-15 Strichen im Uhrzeigersinn gedreht, während der Spiegel bei den Strichen entgegengesetzt gedreht wird. Mit der Zeit gewöhnt man sich an diese Strichführung. Die 80er Körnung greift den Spiegel sehr stark an, was am lauten Kratzgeräusch zu hören ist. Ohrenschutz kann in geschlossenen Räumen sicher nicht schaden.

Das Messen der Pfeiltiefe lässt sich recht einfach mit einem Messschieber und einem Aluvierkantrohr durchführen. Mansollte allerdings zu Beginn nur ca. 90% der angestrebten Tiefe herausschleifen, da die nachfolgenden Chargen mit feinerem Karbopulver die Mitte ebenfalls aushöhlen und die Brennweite dadurch zu kurz werden könnte.

Hat man die richtige Pfeiltiefe erreicht, wechselt man zum nächst feineren Schleifpulver. Dazu sind der Arbeitsplatz und der Spiegel gründlich von allen Schleifrückständen zu reinigen. Mit den feineren Karbostufen wird der Spiegel zum einen sphärisch geschliffen und zum anderen wird die Oberfläche des Spiegels eine Stufe feiner. Mit einer Lupe kann man die Löcher des vorhergegangenen Schleifmittels als größere Vertiefungen erkennen. Erst wenn diese vollständig ausgeschliffen sind, kann zum nächst feineren Karbopulver gewechselt werden.

Um eine genaue Kugelform zu erhalten, wird nur noch mit maximal 1/3 oder 1/4 Strichen geschliffen, wobei der Überhang nicht zu groß sein sollte. Das Austauschen des Spiegels mit der Schleifschale bewirkt einen höheren Abtrag am Rand. Mit der "Bleistiftmethode" lässt sich leicht überprüfen, ob der Spiegel gleichmäßig angegriffen wird. Hierzu wird der Spiegel mit einem Bleistift oder besser mit einem Eddingstift über Kreuz markiert. Durch die klare Rückseite des Spiegels lässt sich die Abnutzung des Kreuzes gut beobachten. Dort, wo der Spiegel am meisten bearbeitet wird, verschwindet der Strich am schnellsten. Geschieht dies über die gesamte Spiegelfläche gleichmäßig, so ist der Spiegel annähernd sphärisch.

Der Feinschliff

Feingeschliffene Spiegeloberfläche mit kleinem Loch vom Grobschliff. Der Feinschliff ist also noch nicht beendet.

Der Feinschliff unterscheidet sich zum Grobschliff nur durch die Korngröße des Schleifmittels und dient einzig und allein dazu, den Spiegel zum Polieren vorzubereiten. Der Abtrag wird mit der Feinheit des Karbos immer geringer. Hat man seinen Arbeitsplatz nach jedem Karbowechsel nicht gründlich genug sauber gemacht, ist die Gefahr, sich Kratzer einzufangen, recht hoch. Dies ist besonders ärgerlich, wenn man kurz vor dem Ende des Feinschliffs steht.

Beim Feinschliff werden wieder maximal 1/3 oder 1/4 Striche ausgeführt, wobei gelegentlich Schleifschale und Spiegel vertauscht werden sollten. Hin und wieder werden auch unregelmäßige Schleifbewegungen durchgeführt, um Zonenfehler zu vermeiden. Diese entstehen, wenn der Spiegel mit zu regelmäßigen Strichen geschliffen wurde.

Schleift man immer nur mit dem Spiegel auf der Oberseite, wird die Mitte mehr angegriffen als der Rand, was dazu führt, dass Rückstände der groben Körnungen am Rand unausgeschliffen zurückbleiben. Beim Polieren können diese dann nicht mehr ausgeglichen werden. Die Folge ist ein matter Rand, der die Spiegelqualität mindert.

Politur

Die Vorgänge beim Polieren unterscheiden sich ganz erheblich vom Schleifprozess mit Karborundumpulver. Hatten die Karbokörner die Aufgabe, die Spiegeloberfläche durch Herausbrechen von Glaspartikeln immer feiner auszuschleifen, glättet die Politur den Spiegel auf ganz andere Weise. Der Polierprozess wird mit Hilfe eines Poliermittels durchgeführt, dessen Härte über der des Glases liegt. Dieses Poliermittel rollt nun nicht wie Karbopulver auf der Oberfläche des Spiegels, sondern wird in eine weiche Trägerschicht eingepresst. Beim Polieren schabt das Poliermittel überstehende Glasspitzen ab. Die mikroskopisch kleinen Glaslöcher werden förmlich auf atomarer Ebene zugeschmiert.

Durch geeignete Wahl der Strichführung läßt sich der Polierprozess und die genaue Einhaltung der Sphäre steuern. Doch zunächst muss die Trägerschicht für das Poliermittel hergestellt werden.

Herstellung einer Pechhaut

Zur Herstellung einer Pechhaut kommt optisches Pech zum Einsatz. Dieses Pech ist in den bereits angesprochenen Schleifsets enthalten. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Pech mit einer Härte von 28° am besten für die Politur geeignet ist, da es weder zu hart noch zu weich ist. Verwendet man zu weiches Pech, besteht die Gefahr einer abgesunkenen Kante. Bei zu hartem Pech entstehen kleine Kratzer. Die Herstellung einer Pechhaut verlangt etwas Fingerspitzengefühl. Die einfachste Methode besteht in der Verwendung einer Latexgießmatte, die aber eine unebene Struktur auf der Spiegeloberfläche hinterlässt (siehe Bild).

Um eine geeignete Pechhaut zu gießen, wird zunächst der Spiegel auf eine ebene Unterlage gelegt. Auf den Spiegel legt man einen Bogen Backpapier, der seitlich ca. 10 cm überstehen sollte. Das Pech wird nun vorsichtig in einem alten Topf oder in einer größeren Konservendose erwärmt, bis es etwa die Konsistenz von Honig hat. Bitte nicht in der Küche machen, das Ganze stinkt und gibt Flecken (der Ärger ist auf jeden Fall vorprogrammiert). Offenes Feuer ist unbedingt zu vermeiden, da Pech bei Überschreitung der Zündtemperatur Feuer fängt.

Nun wird das flüssige Pech in konzentrischen Kreisen von außen nach innen auf den mit Backpapier belegtem Spiegel gegossen, bis eine runde Fläche entstanden ist. Sofort wird auf das warme Pech das Schleifwerkzeug mit der konvexen Seite aufgesetzt und leicht gepresst. Das Pech sollte an den Seiten der Schleifschale heraustreten. Nach einer kurzen Erkaltungsphase kann das Backpapier von der Pechhaut abgezogen werden. Auf die glatte Pechhaut muss nun ein Rillenmuster eingeprägt werden. Dazu erwärmt man die Pechhaut mit einem Föhn oder besser noch, in einem heißen Wasserbad und drückt mit einem keilförmigen Stab Rillen im Abstand von 3-4 cm in das weiche Pech.

Im Anschluss daran wird der Spiegel mit dem zuvor mit Wasser angerührten Poliermittel bestrichen und auf die noch warme Pechhaut aufgesetzt. Die Pechhaut nimmt so die genaue Kontur des Spiegels an. Erst wenn die Pechhaut auf der gesamten Spiegelfläche Kontakt hat, kann vorsichtig mit den ersten Polierstrichen begonnen werden. Als vorteilhaft hat sich das Einpressen einer Mikrostruktur bewährt. Dabei wird einfach während des Pressvorgangs ein Stück Gaze oder Fliegengitter aus Nylon zwischen Pechhaut und Spiegel gelegt. Die eingepresste Struktur verkürzt die Polierzeit.

Der Spiegel beginnt zu glänzen

Nach ungefähr 15-20 Minuten polieren mit langsamen 1/3 Strichen Mitte über Mitte wird das erste Mal der Spiegel abgezogen. Nach dem Reinigen und anschließenden Trockenreiben mit fusselfreien Papiertüchern ist normalerweise ein deutlicher Reflex zu erkennen, der im Idealfall über die gesamte Spiegelfläche gleichmäßig verteilt ist. In aller Regel glänzt die Mitte aber mehr als der Randbereich. Mit dem Spiegel kann nun zum ersten Mal die Foucaultsche Schattenprobe durchgeführt werden.

Das Messergebnis entscheidet über die Strichführung, mit der der Spiegel weiter poliert wird. Hier gibt es die unterschiedlichsten Varianten. Das Ziel ist ein vollständig auspolierter Spiegel, der eine möglichst genaue sphärische Gestalt
aufweisen sollte. Im Detail will ich hier nicht auf die einzelnen Korrekturstriche eingehen, dies würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Ganz ohne einschlägige Literatur zum Thema Spiegelschleifen geht es ohnehin nicht. Im Anhang ist eine Liste mit Infomaterial und Webadressen angegeben.

Ist eine genaue Sphäre vorhanden, und ist der Spiegel vor allem auspoliert, kann mit der Parabolisierung begonnen werden. Ob ein Spiegel auspoliert ist, kann wie folgt getestet werden: Man leuchtet im Randbereich mit einer Taschenlampe von unten gegen den Spiegel und betrachtet mit einem Okular die Spiegeloberfläche. Sind keinerlei Reflexe, die wie kleine Lichtpunkte aufleuchten, vorhanden, so ist der Spiegel auspoliert.

Foucaultsche Schattenprobe

Die genaue Überprüfung der Spiegeloberfläche ist während der Polierarbeit sehr wichtig. Der Spiegel reflektiert die vom Krümmungsradius ausgehenden Lichtstrahlen wieder genau im Strahlenursprung. Führt man nun in diesen Lichtstrahl eine scharfe Schneide hinein, so kann man direkt hinter dieser das geschnittene Strahlenbündel beobachten. Schneidet die Messerschneide das Strahlenbündel vor dem Krümmungsradius, so verdunkelt sich der Spiegel von der Seite, von der sich die Messerschneide hineinbewegt. Befindet sich die Schneide dagegen hinter dem Krümmungsradius, so verdunkelt sich der Spiegel genau von der anderen Seite.

Befindet sich die Schneide direkt im Krümmungsmittelpunkt, kann man die Richtung, aus der das Strahlenbündel verdunkelt wird, nicht mehr mehr erkennen. Genau in diesem Punkt sind alle Höhen und Tiefen der Spiegeloberfläche erkennbar, da diese auch unterschiedliche Krümmungsradien aufweisen. Ein genau sphärischer Spiegel erscheint als vollkommen ebene Fläche. Diese Art der Messung ist äußerst genau. Selbst Fehler von nur 1/100.000 mm lassen sich so feststellen.

Foucaultsche Schattenprobe mit der Messerschneide einmal

Parabolisierung

Reflektierte Lichtstrahlen eines Kugelspiegels

Bei der Foucaultschen Schattenprobe steht die Lichtquelle genau im Krümmungsmittelpunkt des Kugelspiegels. Dort hinein wird auch das projezierte Bild zurückgeworfen. Da Sterne aber nicht aus dem Krümmungsmittelpunkt, sondern aus dem Unendlichen strahlen, verkürzt sich der Brennpunkt auf die Hälfte des Krümmungsmittelpunktes des Spiegels. Das im Brennpunkt erzeugte Bild ist nicht mehr scharf, sondern weist einen Bildfehler auf, die sphärische Aberration. Dabei werden achsferne Strahlen in einem anderen Brennpunkt vereinigt, als achsnahe Strahlen. Eine Möglichkeit, diesen Bildfehler zu beheben, stellt die Umwandlung des sphärischen Spiegels in einen Parabolspiegel dar. Gelingt dies, so treffen sich alle aus dem Unendlichen kommenden Strahlen genau im Brennpunkt. Der Parabolspiegel erzeugt somit ein scharfes Bild.

Reflektierte Lichtstrahlen eines Parabolspiegels

Misst man nun einen Parabolspiegel mit der Foucaultschen Schattenprobe, bündelt er die aus dem Krümmungsradius kommenden Strahlen nicht mehr in einem Punkt. Er verhält sich also wie ein Kugelspiegel, dessen Strahlen aus dem Unendlichen kommen. Diesen Effekt kann man nutzen, um die genaue Form der Parabel über die Schnittweitendifferenzen der unterschiedlichen Krümmungsradien zu ermitteln.

Vor der eigentlichen Parabolisierung muss zunächst berechnet werden, wie die genaue Parabelform aussehen muss. Dazu teilt man den Spiegel in einzelne Zonen ein und ermittelt für jeden Mittelpunkt der Zone den zugehörigen Krümmungsradius. Bei kleineren Spiegeln unter 20 cm Durchmesser reichen zwei Zonen. Eine im Mittelpunkt und eine am Rand. Je größer der Spiegeldurchmesser wird, desto mehr Zonen sollte man zur Messung vorsehen.

Die radial angeordneten Zonen mit gleichen Krümmungsradien verdunkeln sich in der Schattenprobe zur gleichen Zeit. Für jede einzelne Zone kann somit der Krümmungsradius und durch Ausrechnen die Differenzen der Krümmungsradien bestimmt werden.

Beispiel: Mittlerer Krümmungsradius (r) des Spiegels: 3380 mm, Zonenabstand (Zr) von der Mitte des Spiegels aus gemessen:

Zone 1 =  47 mm
Zone 2 =  82 mm
Zone 3 = 106 mm
Zone 4 = 125 mm
Zone 5 = 142 mm

So ergibt sich nach der Formel:


folgende Schnittweitendifferenzen:

Zone 1 : 0,33 mm (S1)
Zone 2 : 0,99 mm (S2)
Zone 3 : 1,66 mm (S3)
Zone 4 : 2,31 mm (S4)
Zone 5 : 2,98 mm (S5)

Beispiel von Zonenmaske und Schnittweitendifferenzen anhand eines 300mm Spiegles

Der Spiegel muss nun so parabolisiert werden, dass man möglichst nahe mit den gemessenen Werten an die errechneten Werte herankommt. Dabei wird die Pechhaut in einer Art Zick-Zack-Bewegung langsam über den Spiegel geführt, damit sowohl eine Vertiefung der Spiegelmitte als auch eine Vertiefung des Randes eintritt.

Das genaue Parabolisieren ist meiner Meinung nach das Schwierigste am Spiegelschleifen. Es erfordert viel Geduld, eine wirklich genaue Parabelform zu polieren. Besonders bei größeren Spiegeln ist die Toleranz zum errechneten Wert sehr gering. Da große Spiegel eine höhere Auflösung besitzen als kleine Spiegel, haben sie auch kleinere Beugungsscheibchen, in denen sich das gesammelte Licht konzentriert. Kleinere Spiegel sind für den Anfänger deshalb zu empfehlen, da hier viel höhere Herstellungstoleranzen bestehen. Wenn alle Mühe bei der Parabolisierung nicht zum Erfolg führt, sollte der Spiegel wieder in seine ursprüngliche Kugelform zurück poliert werden, um erneut mit der Parabolisierung zu beginnen.

Wenn der Spiegel aber die gewünschte Parabelform aufweist, ist der Herstellungsprozess zu Ende. Bereits ohne Verspiegelung lassen sich Objekte wie Mond und hellere Sterne beobachten, um einen ersten Eindruck von der Leistungsfähigkeit des Spiegels zu bekommen.

Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, das Teleskop mit unbelegtem Spiegel zunächst zusammenzubauen, um erste Tests am Stern durchzuführen. Ist der Spiegel einmal bedampft, lassen sich keine Korrekturen mehr an ihm ausführen. Zeigt der Spiegel ein einwandfrei scharfes Bild im Fokus, sowie gleiche Beugungsringe bei starker Vergrößerung Extra- und Intrafokal, so ist der Spiegel gut und kann zum Bedampfen eingeschickt werden.

Analyseprogramme

Wer es gerne etwas genauer hat und wissen will, welche Leistungsdaten sein Spiegel aufweist, für den kann die Verwendung von Optik-Analyse-Programmen wie "FigureXP" oder "Foucault-Test-Analyzer" hilfreich sein. In diese Freewareprogramme lassen sich die Spiegeldaten und die Lage der Zonen auf der Zonenmaske eingeben. Über die gemessenen Schnittweitendifferenzen berechnet das Programm die Abweichungen von der Idealform, zeigt diese in einer grafischen Darstellung an und erleichtert die Beurteilung der Spiegeloberfläche.

Schlusswort

Ich hoffe, dass ich die Leser mit der Komplexität dieses Artikels nicht überfordert habe. Wenn man sich einmal dazu entschlossen hat, einen Teleskopspiegel selbst herzustellen, muss man sich mit dieser höchst interessanten Materie auseinandersetzen.

In letzter Zeit erlebt die Spiegelschleifszene einen regelrechten Boom. Viele Amateurastronomen, aber auch Amateurastronominnen stellen sich dieser Aufgabe und erfüllen sich einen lange ersehnten Wunsch nach einer handgemachten Optik.

Thomas Winterer

 

Informationsquellen zum Thema Spiegelschleifen

Martin Trittelvitz: Spiegelfernrohre - selbst gebaut
Hans Rohr: Das Fernrohr für Jedermann (Antiquariat)
Kurt Wenske: Spiegeloptik, SuW-Taschenbuch 7

Internetadressen

www.astrotreff.de
www.astronomie.de
www.stathis-firstlight.de

Letzte Änderung am: Fri Jun 16 15:13:34 2006 - geändert durch: Not Availiable

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